Speditions- und Transportrecht

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Möglichkeiten der Vermittlung von Versicherungsschutz durch Spediteure

Nach Ansicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und der Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) sind Speditionsunternehmen, die für ihre Kunden Versicherungsschutz besorgen als Versicherungsvermittler anzusehen. Dies gilt neuerdings auch für solche Spediteure, die das Wareninteresse ihrer Kunden über eine sogenannte Spediteur-Generalpolice in Gestalt einer Gruppenversicherung versichern. Der DSLV stellt Konstellationen vor, die es Spediteuren auch in Zukunft ermöglichen können, in rechtlich zulässiger Weise Versicherungsschutz für ihre Kunden einzudecken.

die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und die Deutsche Industrie- und Handelskammer haben in ihrer Aufsichtsmitteilung vom 3. Juli 2023 (Anlage) als Reaktion auf das EuGH-Urteil vom 29. September 2022 (C-633/20) ihre rechtliche Bewertung der Versicherungsvermittlung durch Spediteure geändert. Im Gegensatz zu ihrer früheren Einschätzung sind BaFin und DIHK nunmehr der Auffassung, dass Speditions- und Logistikunternehmen, die für ihre Kunden Versicherungsschutz in Form einer Gruppenversicherung besorgen, gewerbe- und versicherungsaufsichtsrechtlich als Versicherungsvermittler anzusehen sind. Dies gilt nach Ansicht von BaFin und DIHK auch für das B2B-Geschäft.

 

1. Grundsätzliche Vorbemerkung

Nach Auffassung von BaFin und DIHK sind Spediteure, die das Wareninteresse ihrer Kunden über eine Spediteur-Generalpolice in Gestalt einer Gruppenversicherung versichern, grundsätzlich als Versicherungsvermittler anzusehen. Dies gelte jedoch insbesondere nur dann, wenn die Versicherungsvermittlung sowohl gegen Vergütung erfolge als auch die Kunden als versicherte Personen das Recht hätten, Versicherungsleistungen gegenüber dem Versicherungsunternehmen in Anspruch zu nehmen. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass Spediteure, die für die Besorgung von Versicherungsschutz keine Vergütung erhalten oder deren Kunden gegen den Versicherer keinen direkten Anspruch auf Versicherungsleistung haben, nicht als Versicherungsvermittler anzusehen sein dürften. Eine Genehmigung ihrer Tätigkeit wäre daher nicht erforderlich.

 

2. Tätigkeit ohne Vergütung

Die insbesondere in der Gewerbeordnung (GewO) festgelegten Regulierungen der Versicherungsvermittlung gelten nur für gewerbliche, das heißt gegen Vergütung erbrachte Versicherungsvermittlung. Gemäß Artikel 2 Absatz 1 Nr. 9 IDD (EU-Vermittlerrichtlinie) erfasst der Vergütungsbegriff alle Arten von Provisionen, Gebühren, Entgelten oder sonstige Zahlungen, einschließlich wirtschaftlicher Vorteile jeglicher Art, oder finanzielle oder nichtfinanzielle Vorteile oder Anreize, die in Bezug auf Versicherungsvertriebstätigkeiten angeboten oder gewährt werden.

Keine Vergütung stellt nach Ansicht von BaFin und DIHK hingegen die bloße Aufwandserstattung von Verwaltungskosten dar. Als konkretes Beispiel für derartige Verwaltungskosten nennen BaFin und DIHK-Portokosten. Nach dem Verständnis des DSLV kommen als Verwaltungskosten darüber hinaus alle im Zusammenhang mit der Besorgung von Versicherungsschutz anfallenden Kosten wie zum Beispiel anteilige Büro-, Miet- oder Personalkosten in Frage.

Demnach erfüllt die als sogenannter Spediteurrabatt bezeichnete finanzielle Zuwendung des Versicherers an den Spediteur den Vergütungstatbestand, wenn dieser Betrag für den Spediteur einen finanziellen Vorteil darstellt. Beschränken sich der Spediteurrabatt sowie jegliche Zahlungen des Kunden an den Spediteur hingegen auf die Summe der anteilig auf die Versicherungsvermittlung entfallenden Kosten, würde der Spediteur nach dem Verständnis des DSLV keine Vergütung im Sinne der Vermittlerrichtlinie erhalten. Die einzelnen vereinnahmten Kosten wären durch den Spediteur im Einzelnen darzustellen und zu substantiieren. Nach der Auslegung von BaFin und DIHK dürfte demnach eine gewerberechtliche Vermittlertätigkeit in derartigen Fällen nicht vorliegen, sodass Spediteure ihre Tätigkeit ohne behördliche Erlaubnis ausüben könnten. Ob dies auch in Fällen gilt, in denen der Spediteur eine Entschädigung in Höhe eines pauschalierten Aufwandes erhält, ist offen.

 

3. Eigener Anspruch auf Versicherungsleistung

Eine genehmigungspflichtige Vermittlertätigkeit des Spediteurs kommt nach Ansicht von BaFin und DIHK überdies nur dann in Betracht, wenn die Kunden als versicherte Personen „das Recht haben, Versicherungsleistungen gegenüber dem Versicherungsunternehmen in Anspruch zu nehmen.“. Weitere Erläuterungen zu dieser Voraussetzung enthält die Aufsichtsmitteilung nicht. Nach dem Verständnis des DSLV sind hiermit vertraglich vereinbarte Direktansprüche der versicherten Person gegen den Versicherer gemeint: Die BaFin nimmt ersichtlich Bezug auf ihr Rundschreiben 03/2021 (VA) - Hinweise zu echten Gruppenversicherungsverträgen vom 3. März 2021. Darin heißt es unter Rn. 8:

 „Sofern nicht spezielle spartenspezifische gesetzliche Vorgaben gelten, sollten alle echten Gruppenversicherungsverträge zukünftig eine Bestimmung enthalten, nach der die versicherten Personen ein eigenes Recht haben, Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherungsunternehmen geltend zu machen. In Abweichung von § 44 Abs. 2 VVG sollten die versicherten Personen eines Gruppenversicherungsvertrages im Versicherungsfall einen Direktanspruch gegenüber dem Versicherungsunternehmen erhalten. Die Regelung des § 44 Abs. 2 VVG sollte in allen echten Gruppenversicherungsverträgen abbedungen werden.“

Allerdings gilt das BaFin-RS 03/2021 lediglich für Gruppenversicherungsverträge „bei denen die versicherten Personen Verbraucher sind.“ (Rn. 1).

Demnach wäre es nach Auffassung des DSLV möglich, in für Gewerbekunden als versicherte Personen abgeschlossenen Gruppenversicherungsverträgen einen Direktanspruch der versicherten Person abzubedingen bzw. nicht vorzusehen.

Ein sich nicht aus dem Versicherungsvertrag ergebender Direktanspruch, wie zum Beispiel durch Vorlage des Versicherungszertifikats, würde sich nicht unmittelbar aus dem Versicherungsvertrag, sondern aus gesetzlichen Regelungen ergeben. Mangels eines vertraglich vereinbarten Anspruchs auf Versicherungsleistung wäre nach dem Verständnis des DSLV der Anwendungsbereich der Aufsichtsmitteilung durch Ausstellung eines Versicherungszertifikats daher nicht eröffnet. Demnach wären Spediteure, die für ihre Kunden Versicherungsschutz über eine General-Police eindecken, dann keine Versicherungsvermittler, wenn sich ein Direktanspruch des Kunden gegen den Versicherer allenfalls bei Vorlage des Versicherungszertifikats und nicht aus einer entsprechenden vertraglichen Regelung ergibt.

 

4. Versicherungsvermittler

Erhalten Spediteure, die für ihre Kunden Versicherungsschutz über die Aufnahme in eine Gruppenversicherung vermitteln, hierfür eine Vergütung (s.o. Pkt. 2) und haben ihre Kunden zugleich einen Anspruch gegen den Versicherer auf Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen (s.o. Pkt. 3), stellt diese Tätigkeit des Spediteurs nach Ansicht von BaFin und DIHK eine gewerbliche Versicherungsvermittlung dar. Gemäß § 34d Absatz 1 GewO bedarf die gewerbliche Versicherungsvermittlung grundsätzlich der Erlaubnis durch die zuständige IHK. Im Rahmen ihres Antrags auf Erlaubniserteilung müssen Speditionsunternehmen unter anderem ihre besondere Sachkunde sowie das Bestehen einer Berufshaftpflichtversicherung nachweisen. Darüber hinaus müssen alle mit der Besorgung von Versicherungsschutz betrauten Mitarbeiter fünfzehn Stunden Weiterbildung pro Kalenderjahr nachweisen. Daneben müssen Versicherungsvermittler versicherungsspezifische Dokumentations- und Informationspflichten erfüllen. Der Antrag auf Erlaubnis der Vermittlertätigkeit gemäß § 34d Absatz 1 GewO stellt angesichts der genannten Antragsvoraussetzungen und gesetzlichen Pflichten die für Speditionsunternehmen einschneidenste Reaktion auf die Aufsichtsmitteilung von BaFin und DIHK dar.

 

5. Produktakzessorischer Vermittler

Insbesondere im Hinblick auf die Weiterbildungspflicht der jeweiligen Mitarbeiter stellt die Ausgestaltung der Versicherungsvermittlung als produktakzessorischer Vermittler weniger strenge Anforderungen an das Speditionsunternehmen.

Gemäß § 34d Absatz 6 GewO werden sogenannte produktakzessorische Vermittler auf Antrag durch die zuständige IHK von der Erlaubnispflicht befreit, wenn sie bei Antragstellung nachweisen, dass

  • sie ihre Tätigkeit als Versicherungsvermittler unmittelbar im Auftrag eines oder mehrerer Versicherungsvermittler, die Inhaber einer Erlaubnis nach Absatz 1 Satz 1 sind, oder eines oder mehrerer Versicherungsunternehmen ausüben,
  • für sie eine Berufshaftpflichtversicherung oder eine gleichwertige Garantie nach Maßgabe des Absatz 5 Satz 1 Nr. 3 besteht und
  • sie zuverlässig sowie angemessen qualifiziert sind und nicht in ungeordneten Vermögensverhältnissen leben.

 

Insbesondere der Nachweis der angemessenen Qualifizierung und der geordneten wirtschaftlichen Verhältnisse erfordert im Einzelfall die Mitwirkung des jeweiligen Versicherers oder Maklers, da dieser gegenüber der zuständigen IHK eine entsprechende Erklärung abgeben muss.

 

Einzelheiten der Kontrolldichte zu Qualifizierung und wirtschaftlichen Verhältnissen des Speditionsunternehmens durch den Risikoträger sind nicht gesetzlich geregelt. Nach Auffassung des DSLV sollte eine entsprechende Bescheinigung jedenfalls dann unproblematisch erteilt werden können, wenn Risikoträger bzw. Makler und Spediteur bereits durch eine langjährige Geschäftsbeziehung zur Besorgung von Versicherungsschutz verbunden sind. Eine hinreichende Kontrolle der Sachkunde und der wirtschaftlichen Verhältnisse des Spediteurs durch den Risikoträger oder Makler sollte bereits nach bisher geltenden versicherungsaufsichtsrechtlichen Maßstäben erfolgt sein.

 

6. Gebundener Vermittler

Gemäß § 34d Absatz 7 GewO bedarf ein Speditionsunternehmen weder einer Erlaubnis noch einer Befreiung von der Erlaubnispflicht, wenn es

  • seine Tätigkeit als Versicherungsvermittler ausschließlich im Auftrag eines oder, wenn die Versicherungsprodukte nicht in Konkurrenz stehen, mehrerer Versicherungsunternehmen ausübt, die im Inland zum Geschäftsbetrieb befugt sind, und
  • durch das oder die Versicherungsunternehmen die uneingeschränkte Haftung aus seiner Vermittlertätigkeit übernommen wird.

 

Demnach könnte diese Alternative insbesondere für solche Speditionsunternehmen interessant sein, die den Versicherungsschutz für ihre Kunden stets über denselben Risikoträger besorgen.

 

7. Fazit und Handlungsempfehlung

Der DSLV empfiehlt Speditionsunternehmen, die für ihre Kunden wie bisher Versicherungsschutz in Gestalt einer Gruppenversicherung besorgen wollen, umgehend Kontakt mit ihrem Versicherer, Makler oder Assekuradeur aufzunehmen. Gemeinsam mit dem jeweiligen Risikoträger sollte erörtert werden, welches Lösungsmodell einzelfallbezogen sinnvoll und aufsichtsrechtlich zulässig ist. Einen Überblick über die verschiedenen Antragsvoraussetzungen und Antragsformulare bietet beispielsweise die IHK Berlin unter dem Link:
https://www.ihk.de/berlin/service-und-beratung/recht-und-steuern/gewerberecht/erlaubnis-registrierungsverfahren-ihk/versicherungsvermittler-2253508

Einige der vorgestellten Konstellationen erfordern die Mitwirkung des jeweiligen Risikoträger. So können abhängig vom jeweiligen Lösungsmodell folgende Mitwirkungshandlungen der Risikoträger erforderlich werden:

 

Keine gewerbliche Vermittlertätigkeit:

  • Umstellung von Vergütung auf reine Aufwandsentschädigung oder
  • Ausschluss von Direktansprüchen der Kunden auf Versicherungsleistung

Tätigkeit als produktakzessorischer Vermittler:

  • Bescheinigung der hinreichenden Qualifizierung und geordneter wirtschaftlicher Verhältnisse

Tätigkeit als gebundener Vermittler:

  • Übernahme der uneingeschränkten Haftung

 

Sollten sich Speditionsunternehmen und Risikoträger auf ein Lösungsmodell verständigt haben, das grundsätzlich eine behördliche Erlaubnis erfordert, sollten sich betroffene Speditionsunternehmen zeitnah an die örtlich zuständige IHK wenden, um Einzelheiten des Verfahrens zur Erlaubniserteilung (Versicherungsvermittler, s.o. Pkt. 4) bzw. der Befreiung von der Erlaubnispflicht (produktakzessorischer Vermittler, s.o. Pkt. 5) zu erörtern.

Der DSLV wird über maßgebliche Verlautbarungen von BaFin oder DIHK sowie die Gespräche mit dem GDV informieren.

Kontakt

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DSLV

Björn Karaus

Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)
Leiter Justiziariat I Speditions- und Transportrecht, Versicherung
DSLV Bundesverband Spedition und Logistik e. V.
Friedrichstraße 155-156 | Unter den Linden 24
10117 Berlin

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