Speditions- und Transportrecht

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Huthi-Angriffe auf Seeschifffahrt

Der DSLV empfiehlt Speditions- und Logistikunternehmen, den Versicherungsschutz für Seetransporte über das Rote Meer zu überprüfen sowie ihre Kunden auf die Verknappung von Transportkapazitäten hinzuweisen und um Weisung zu bitten.

Infolge der wiederholten Angriffe der Huthi-Miliz auf Container-Schiffe im Roten Meer haben einige internationale Reedereien ihre Verkehre durch das Rote Meer massiv eingeschränkt oder vorübergehend komplett eingestellt. Der DSLV informiert über haftungs- und versicherungsrechtliche Fragen, die sich aus dieser Beeinträchtigung der internationalen Seeschifffahrt ergeben können. Die nachfolgenden Erwägungen gelten für Verträge, die keine einschlägigen Vertragsklauseln zu Leistungspflicht, Aufwendungsersatz oder Haftung beinhalten.

Grundsätzlich gilt: Die Rechtsposition von Fixkostenspediteuren, die Verträge mit ihren Kunden bereits vor den ersten Anschlägen der Huthi geschlossen haben, ist in der Regel günstiger als in Konstellationen, in denen der Vertragsschluss erst nach den ersten Attacken erfolgte.

 

Verknappung der Transportkapazitäten als Höhere Gewalt?

Die Transportmöglichkeiten über das Rote Meer sind derzeit infolge des Rückzugs vieler Groß-Reedereien erheblich eingeschränkt; Alternativrouten können derzeit allenfalls gegen erheblichen Frachtaufschlag gebucht werden. Ob Fixkostenspediteure dennoch weiterhin verpflichtet sind, ihre vertragliche Leistung zur vereinbarten Fixkostenpauschale zu erbringen oder ob sie sich gegenüber ihren Kunden auf eine Unmöglichkeit der Leistungserbringung infolge Höherer Gewalt berufen können, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Ist zwischen Fixkostenspediteur und seinem Auftraggeber ausdrücklich ein Seetransport durch das Rote Meer vereinbart, liegt angesichts fehlender Transportkapazitäten ein Fall der Unmöglichkeit vor, sodass der Spediteur nicht zur Leistung verpflichtet ist.

Ist die Leistungspflicht des Fixkostenspediteurs hingegen nicht derart konkretisiert, stellt sich die Rechtslage für ihn ungünstiger dar: Grundsätzlich stellt nämlich eine allgemeine Verknappung von Transportkapazitäten ebenso wenig einen Fall der Unmöglichkeit dar wie die Verteuerung der Seefracht für Alternativrouten. Beides ist in der Regel dem wirtschaftlichen Risiko des Fixkostenspediteurs zuzurechnen, sodass dieser nicht ohne weiteres seine Leistung verweigern kann.

Allerdings kann ausnahmsweise dann ein Fall der Unmöglichkeit der Leistungserbringung aufgrund Höherer Gewalt vorliegen, wenn Transportwege auf einer bestimmten Route schlechthin nicht mehr nutzbar und Transporte über Alternativrouten nicht ausreichend verfügbar sind. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Spediteur dies bei Vertragsschluss nicht vorhersehen konnte. Wurde der fragliche Speditionsvertrag also zu einem Zeitpunkt abgeschlossen, zu dem die massive Einschränkung der Transportkapazitäten für den Fixkostenspediteur noch nicht vorhersehbar war, könnten Fixkostenspediteure daher im Einzelfall von ihrer Leistungspflicht befreit sein. Der DSLV empfiehlt Spediteuren in diesem Fall, ihren Kunden frühzeitig und detailliert die Gründe für die Unmöglichkeit ihrer Leistung und die mangelnde Verfügbarkeit von Alternativtransporten darzulegen.

 

Erhöhte Seefrachtraten

Sollte ein Seetransport durch das Rote Meer mangels ausreichender Transportkapazitäten nicht möglich sein, sind die wenigen verfügbaren Alternativrouten in der Regel mit erheblichen Frachtzuschlägen der Reedereien verbunden.

Auch hinsichtlich der Übernahme dieser erhöhten Aufwendungen ist entscheidend, wann der Vertrag zwischen Fixkostenspediteur und seinem Kunden geschlossen wurde. Im Falle eines Vertragsschlusses vor Beginn der Huthi-Attacken und der damit verbundenen Einschränkung des Seeverkehrs kann die Verknappung der Transportkapazitäten ein Lieferhindernis darstellen. Fixkostenspediteure sollten ihre Kunden hiervon so früh wie möglich in Kenntnis setzen und um Weisung bitten. Ob die erhöhten Seefrachtraten im Falle einer entsprechenden Weisung des Auftraggebers ersatzfähig oder mit der vereinbarten Fixkostenabrede abgegolten sind, ist in Rechtsprechung und -lehre umstritten. Nach Auffassung des DSLV besteht ein Aufwendungsersatzanspruch von Fixkostenspediteuren gegen ihren Auftraggeber. Auf Weisung des Auftraggebers geleistete erhöhte Seefrachtraten stellen demnach Aufwendungen dar, die zur Rettung der Güter vor der drohenden Gefahr durch Huthi-Angriffe erbracht werden. Angesichts des frühen Vertragsabschlusses sind diese Mehraufwendungen nicht der Risikosphäre des Fixkostenspediteurs zuzurechnen.

Wurde der Vertrag zwischen Fixkostenspediteur und seinem Kunden hingegen erst geschlossen, nachdem die ersten Einschränkungen des Seeverkehrs eingetreten waren, ist die Erhöhung der Seefrachtraten der Risikosphäre des Spediteurs zuzurechnen, sodass ein Aufwendungserstattungsanspruch nicht gegeben sein dürfte.

Unabhängig von der rechtlichen Bewertung sollten sich Fixkostenspediteure frühzeitig um eine einvernehmliche Regelung zur Umlagefähigkeit erhöhter Aufwendungen mit ihren Kunden bemühen.

 

Haftung des Fixkostenspediteurs für Güter- und Verspätungsschäden

Güterschäden

Sollten Güterschäden infolge eines Raketenbeschusses durch die Huthi-Miliz entstehen, richtet sich die Haftung des Fixkostenspediteurs bei Geltung deutschen Rechts in der Regel nach § 499 Absatz 1 Nr. 2 HGB. Ein derartiger Raketenbeschuss dürfte nach Ansicht des DSLV als kriegerisches Ereignis anzusehen sein. Für Schäden aus einem solchen kriegerischen Ereignis haftet der Fixkostenspediteur dann nicht, wenn sie durch die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes hätten abgewendet werden können. Somit ist der Zeitpunkt der Beauftragung des Verfrachters mit dem Seetransport durch das Rote Meer durch den Fixkostenspediteur entscheidend: Wurde der Auftrag bereits zu einem Zeitpunkt erteilt, in dem der Spediteur noch nicht mit einer erhöhten Gefahr durch die Huthi-Rebellen rechnen musste, liegt nach Auffassung des DSLV kein Sorgfaltspflichtenverstoß des Spediteurs vor, sodass er von einer Haftung für Güterschäden befreit ist.

Wurde der Verfrachter mit dem Transport durch das Rote Meer hingegen erst beauftragt, nachdem die Huthi-Miliz angekündigt hatte, ihre Angriffe auf internationale Frachtschiffe fortzusetzen, dürfte eine Berufung auf den Haftungsausschluss mangels Beachtung der Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmannes nicht erfolgreich sein. 

Verspätungsschäden

Angesichts der massiven Beeinträchtigung der internationalen Seeschifffahrt drohen vielfach erhebliche Transportverzögerungen. Grundsätzlich haften Fixkostenspediteure nach deutschem Recht für von ihnen verschuldete Verspätungsschäden in unbegrenzter Höhe; bei wirksamer Einbeziehung der ADSp 2017 in Höhe von sechs Sonderziehungsrechten pro Kilogramm.

Ob im Einzelfall überhaupt eine Verspätung des Transports vorliegt, hängt maßgeblich von der vertraglichen Vereinbarung des Fixkostenspediteurs mit seinem Kunden ab. Ist ein fixer Ablieferungstermin nicht ausdrücklich vereinbart (die Angabe eines geschätzten, voraussichtlichen Ablieferungszeitpunktes – ETA – stellt keinen konkreten Ablieferungstermin dar), ergibt sich die angemessene Lieferfrist aus den Einzelfallumständen. Dabei sind insbesondere die Verfügbarkeit von Transportkapazitäten und die längere Reisedauer für die alternative Seeroute entlang der Südküste Afrikas zu berücksichtigen, sodass sich derzeit eine längere angemessene Lieferfrist ergibt als im Falle einer freien Passage durch das Rote Meer.

Selbst dann, wenn nach diesem Maßstab im Einzelfall eine Lieferfristüberschreitung vorliegen sollte, ist ein Verschulden des Fixkostenspediteurs an einer Lieferfristüberschreitung höchst zweifelhaft, da er in der Regel keinen Einfluss auf die eingeschränkten Transportkapazitäten in der internationalen Seeschifffahrt hat. Eine Haftung des Fixkostenspediteurs für Verspätungsschäden dürfte daher in der Regel nicht gegeben sein.

 

Überprüfung des Versicherungsschutzes

Der DSLV empfiehlt Speditions- und Logistikunternehmen, sich mit ihrem Versicherer, Makler oder Assekuradeur in Verbindung zu setzen, um die Reichweite ihres Versicherungsschutzes zu erörtern. Dies gilt sowohl in Fällen, in denen trotz der Kapazitätseinschränkungen ein Seetransport durch das Rote Meer beabsichtigt ist als auch für Fälle, in denen es dem Spediteur gelingt, Alternativbeförderungen zu organisieren.

Verkehrshaftungsversicherung

Marktübliche Verkehrshaftungsversicherungsbedingungen enthalten in der Regel einen Ausschluss der Versicherungsleistung für Schäden aus kriegsähnlichen Ereignissen. Aus diesem Grund dürften in einer Vielzahl der Verkehrshaftungsversicherungen die Versicherungsleistung für eine Haftung des Fixkostenspediteurs für Schäden infolge eines Raketenangriffs der Huthi-Miliz (kriegerisches Ereignis) ausgeschlossen sein. Mithin droht in bestimmten Konstellationen eine Haftung des Fixkostenspediteurs (s.o.) ohne entsprechenden Versicherungsschutz.

Sollte es Spediteuren trotz der erheblichen Verknappung der Transportkapazitäten gelingen, einen Seetransport über eine Alternativroute buchen, sollte mit dem Risikoträger geklärt werden, ob in inhaltlicher und geografischer Hinsicht Versicherungsschutz für die geänderte Route besteht.

Warenversicherung

Darüber hinaus sollten Spediteure überprüfen, ob weiterhin Versicherungsschutz von Güterversicherungen besteht, die sie für ihre Kunden besorgt haben.

Auch in Güterversicherungen ist die Deckung für Schäden aus kriegerischen Ereignissen grundsätzlich ausgeschlossen. Anders als in marktüblichen Verkehrshaftungsversicherungen kann hier aber die Versicherung des Kriegsrisikos mit einer gesonderten „Kriegs-Klausel“ wieder eingeschlossen werden. Spediteure sollten daher frühzeitig überprüfen, ob eine solche Kriegs-Klausel vereinbart wurde und ob diese noch wirksam ist. Nach Informationen des DSLV erwägen erste Risikoträger, den Versicherungsschutz für kriegerische Ereignisse im Roten Meer zu kündigen.

Unabhängig von der Auskunft des Versicherers, Maklers oder Assekuradeurs sollten betroffenen Speditions- und Logistikunternehmen anschließend mit ihrem Kunden in Kontakt treten und angesichts der aktuellen tatsächlichen und rechtlichen Umstände um Weisung bitten.

 

Fazit

Der DSLV empfiehlt Fixkostenspediteuren, die einen Seetransport durch das Rote Meer organisieren wollten und von den erheblichen Einschränkungen des internationalen Seeverkehrs betroffen sind:

  • Information des Kunden über Lieferhindernisse und Bitten um Weisung
  • Versuch einer einvernehmlichen Regelung mit dem Kunden über erhöhte Seefracht
  • Prüfung des aktuellen Schutzes von Verkehrshaftungs- und Warenversicherung.

Kontakt

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DSLV

Björn Karaus

Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)
Leiter Justiziariat I Speditions- und Transportrecht, Versicherung
DSLV Bundesverband Spedition und Logistik e. V.
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